Ein Spaziergang durch das malerische Stadtviertel Untermhaus in Gera ist zu jeder Jahreszeit lohnenswert. Aber gerade im Sommer entfaltet das Gebiet an der Weißen Elster seinen ganz eigenen Reiz.
Dieses Viertel ist aber auch historisch bedeutend, denn hier liegt die vögtische Vergangenheit von Gera. Wir gehen auf Spurensuche im Stadtteil an der Elster.
Voraussichtliche Lesedauer: 18 Minuten
Wir beginnen den Rundgang am besten an der Ruine des ehemaligen Schlosses. Von hier aus hat man einen wundervollen Blick über Gera. In den warmen Monaten kann man zusätzlich zur Aussicht auch noch im Biergarten ein Getränk und eine Rostbratwurst genießen.
Inhaltsverzeichnis
Gera Untermhaus – der Stadtteil am Fuße des ehemaligen Schlosses Osterstein
Aus dem ungewöhnlichen Namen Untermhaus lässt sich die Entstehungsgeschichte des Stadtteils erkennen. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort 1191 – damals noch als Unterhaus. Den Namen verdankt es seiner Lage. Hier war das Vorwerk der Burg Osterstein. Haus war die Bezeichnung für die Burg und deshalb wurde der Ort um das Vorwerk „unter dem Haus“ genannt. Hier, am Ursprung von Untermhaus beginnen wir unseren Spaziergang. Vom Mohrenplatz führt ein Weg hinauf zu den Resten des Schlosses.
Auf den Spuren der Vögte – Die Geschichte von Schloss Osterstein
Im 12. Jahrhundert errichteten die Vögte von Weida eine Burg auf den Resten einer slawischen Burg. Ab ca. 1230 trugen die hier herrschenden Vögte dann den Beinamen zu Gera im Titel. Von der ursprünglichen Burg ist heute nur noch der imposante Burgfried erhalten. Der Turm gehörte zu den ältesten Teilen der Burg und er wurde in die zahlreichen Umbauten immer wieder integriert.
1550 starb die Linie der Vögte von Gera aus und ihr Gebiet fiel an die Linie Reuß von Plauen zu Greiz. Schon wenige Jahre später baute Heinrich XVI der Jüngere (Anm.: Ab 1564 nannte er sich Heinrich I. Reuß zu Gera, da er auf Grund der Teilung der vorherigen Linie der Begründer Linie der Reuß jüngeren Linie zu Gera ist) die Burg zu einem Schloss im Stil der Renaissance um.
Es entstand ein großer Nord-und Ostflügel. Auch in den nächsten Jahrhunderten gab es immer wieder Veränderungen. Die größten und weitreichendsten gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Das Schloss wurde um einen südlichen Teil ergänzt. In dieser Zeit (1865) erhielt der Turm einen historisierenden Aufbau, der mittelalterlich anmutet. Auch die Privaträume der Fürstenfamilie wurden im Stil des Historismus umgestaltet. Im Schloss entstand eine Galerie für die zahlreichen Kunstwerke der Familie, die schon immer der Kunst zugewandt war.
Nach der Jahrhundertwende kam der Westflügel hinzu und vollendete das große und repräsentatives Schloss.
Es war bis zum Aussterben der Linie 1802 Sitz der Linie Reuß-Gera und danach Residenz des Fürstentums Reuß jüngerer Linie. Auch nach dem Ende der Monarchie in Deutschland 1918 nutzen die Reußen das Schloss als Wohnsitz. Leicht unterhalb des Schlosses bekommt man in den Ruinen der alten Wirtschaftsgebäude und der Schlosswache noch einen Einblick von der Größe des Schlosses.
Die Reste des Schlosses
Ein jähes Ende fand das weiträumige Schloss 1945. Es wurde durch einen schweren Bombenangriff der US Air Force am 06. April 45 zerbombt. Es brannte komplett aus. Lediglich vom Bergfried standen sanierungswürdige Reste. Er wurde schon kurze Zeit nach dem Krieg wieder aufgebaut. Ein Großteil der Ruinen wurde zu Beginn der 60er Jahre entfernt.
Auf dem entstandenen Plateau wurde eine Ausflugsgaststätte errichtet, die auch heute in den Sommermonaten ein beliebtes Ausflugsziel ist. Der 60er Jahre Bau des Terrassencafés ist ein durchaus gelungenes Beispiel für DDR-Restaurantarchitektur. Von hier oben hat mal einen herrlichen Blick über die Stadt, die einem quasi zu Füßen liegt.
Außer dem Turm ist noch ein weitere spektakulärer Bau am Schloss erhalten. Die Wolfsbrücke überspannt mit ihren großen Bogen die Straße zum Schloss. Die Steinbrücke führte früher vom Schloss zum Schlosspark. Über die Entstehungsgeschichte habe ich widersprüchliche Angaben gefunden.
Zum einen soll sie um 1562 als Viadukt entstanden sein, um die Wasserversorgung im Schloss zu gewährleisten und andererseits wird als Baudatum 1857 erwähnt. Das fällt in die Zeit, in der im Schloss Anbauten im Stil des Historismus entstanden sind. Für genaue Hinweise bin ich sehr dankbar. Aber unabhängig von den Baudaten ist die Wolfsbrücke sehr spektakulär. Sie bietet zu jeder Jahreszeit ein spannendes Fotomotiv.
Vom Schloss hinab zum Mohrenplatz – Gera unterm Haus
Der Weg führt uns von Schloss Osterstein wieder hinab zur Weißen Elster an den malerischen Mohrenplatz, dem historischen Zentrum von Untermhaus. Der Platz ist geprägt von der imposanten Marienkirche. Sie wurde als Marienkapelle um 1200 erbaut und gehörte zum Kloster Mildenfurth. Um 1440 wurde die Kapelle zur Kirche erweitert.
Es entstand eine Kirche im spätgotischen Stil mit einem sehenswerten Altar, der auch heute noch erhalten ist. 1736 wurde die Kirche erweitert und mit barocken Elementen umgestaltet. In den Jahren 1802 bis 1854 diente sie dem reußischen Militär als Garnisionskirche.
Um 1880 sollte die Kirche eigentlich abgerissen werden und durch einen Neubau ersetzt werden. Da die Kirchengemeinde aber sehr schnell anwuchs, entschied man sich für einen Umbau, um der Gemeinde möglichst schnell wieder einen Raum geben zu können.
Das Schiff wird bis in den Chorraum verlängert und die Kirche nach Westen zwei Meter erweitert. Die alte Sakristei wird nun ein Seitenschiff und die Kirche erhält an der Westfassade zwei Türmchen im neogotischen Stil mit einem Treppenaufgang.
Das Langhaus erhält einen Aufbau mit einem hölzernen Tonnengewölbe. Hier entsteht eine zusätzlich Empore. Besonders schön sind die Spitzbögen des Balkenwerks, die einen umrahmten Blick in die Kirche freigeben.
Otto Dix Haus und Backhaus Lummer
Rechts und links der Kirche stehen zwei weitere interessante Häuser. Linkerhand befindet sich das Geburtshaus von Otto Dix. Der Maler wurde hier 1891 geboren. Seit 1991 beherbergt es eine sehenswerte Ausstellung über Leben und Wirken des großen Sohns der Stadt.
Rechterhand der Kirche steht das Lummersche Backhaus, das heute ein Restaurant ist. Hofbäcker Lummer lies 1742 ein Haus aus ehemals zwei Häusern errichten. Er nutzte das Haus als Backstube und Verkaufsraum. Noch heute kann man hier vorzüglich speisen. Ein Teil des Freisitzes des Restaurants befindet sich auf der Untermhäuser Brücke. Wenn man hier bei einem Glas Wein sitzt, vergisst man schnell die Zeit. Es ist wie ein kleiner Urlaub.
Die Küchengartenallee entlang zur Orangerie
Wir überqueren die Elster und spazieren die Küchengartenallee entlang. Sie führt vom Ufer der Weißen Elster bis zur Orangerie, die heute die Kunstsammlung der Stadt Gera beherbergt. Der Küchengarten existiert seit 1631 und diente erst als Nutzgarten für Schloss Osterstein, was ihm auch seinen Namen gab. 1729 bis 1732 erfolgte der Bau einer Orangerie und der Park wurde im französischen Stil zum Lustgarten ausgebaut.
Nachdem Tod des letzten Grafen aus dem Haus Reuß-Gera 1802 wurde die Orangerie nicht mehr durch die Familie benutzt. Ab diesem Zeitpunkt hatte sie eine sehr wechselvolle Verwendung. Sie war Lazarett, Turnhalle, Pferdestall aber auch Kaffeehaus und von 1878 bis 1919 hatte hier der Kunstverein seinen Sitz. Auch die Orangerie wurde stark durch die Bombenangriffe in Mitleidenschaft gezogen. Aber schon 1947 begann die museale Nutzung für die Kunstsammlung der Stadt.
Nach dem Tod Stalins änderte sich der Inhalt der Ausstellung dramatisch: das Museum beherbergte für 10 Jahre die Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung und aus dem Küchengarten wurde der Stalingedenkpark. Zum Glück hielt diese Phase nicht lange an. Seit nunmehr 1963 gehörte die Orangierie zum Stadtmuseum und wurde wieder für Wechselausstellungen der Kunstsammlung Gera genutzt.
Im Rahmen der Bundesgartenschau wurde der Küchengarten neu gestaltet. Er bekam wieder Blumenbeete und die Orangerie erhielt wieder ihren repräsentativen Vorplatz.
Ein strahlender Musentempel – das Theater in Gera
Von hier aus sind es nur wenige Schritte zum Theater. Der große spektakuläre Bau strahlt schon von weitem. Zu seiner Eröffnung 1902 war es eines der modernsten Theater der Zeit. Das Theater wurde im Stil des Historismus vom Zeulenrodaer Architekten Heinrich Seeling erbaut. Besonders die markante Eingangsseite ist absolut sehenswert. Hier mischen sich Neo-Renaissanceelemente mit Jugendstilanleihen. Das Theater verfügt über zwei Säle – einen vom Jugendstil geprägten Theatersaal und einen neobarocken Konzertsaal. Heute ist es ein Mehrspartenhaus, das über die Grenzen Thüringens hinaus einen guten Ruf genießt.
Der Neubau war um 1900 notwendig geworden, da das alte Theater zwar einen großen Theatersaal besaß aber keinen geeigneten Raum für die Reußische Hofkapelle. Die finanziellen Mittel wurden durch Spenden der Geraer Bürger und durch Fürst Heinrich XIV, der außerdem ein Grundstück am Küchengarten beisteuerte, aufgebracht.
Einmalig in Deutschland war, dass das Haus auch nach dem Ende der Monarchie noch unter reußischer Protektion von Heinrich XLV stand, ohne dabei eine fürstliche Bühne zu sein. Sie war eine Bühne für das Volk, auf der junge neue Autoren gespielt worden, wie Brecht oder Barlach, der hier auch selbst inszenierte. Übrigens: aus der Bekanntschaft von Heinrich XLV und Ernst Barlach heraus entstand das eindrucksvolle Grabmal der Reußen, das Barlach im Park in Ebersdorf schuf.
Auch heute ist das Theater bei Einheimischen und Gästen mit seinem Mix aus traditionellen und modernen Stücken in den Sparten Musiktheater, Ballett, Schauspiel, Puppenspiel und Philharmonischen Orchester sehr beliebt.
Durch den Hofwiesenpark zurück zum Mohrenplatz
Vom Theater geht es über den Hofwiesenpark wieder zurück zur Marienkirche. Der Hofwiesenpark ist die größte Grünanlage der Stadt und entstand in ihrer jetzigen Form zur Bundesgartenschau 2007. Die Hofwiesen wurden erstmalig 1636 als Hofwiese unterhalb des Schlosses erwähnt. Sie wurde vom Vorwerk und später vom zum Schloss gehörigen Kammergut bewirtschaftet.
Allerdings war sie weitestgehend unbebaut. Lange Zeit blieb dies auch so, denn Bebauungspläne wurden nicht realisiert. Erst zu DDR-Zeiten wurden die Hofwiesen zu einem Sportareal mit dem Stadion der Freundschaft, einer Sporthalle, einem Hallenbad und kleineren Anlagen ausgebaut. Die Sporthalle und das Hallenbad wurden im Zuge der BUGA vor einigen Jahren durch neue Bauten ersetzt. Wir spazieren durch den Hofwiesenpark zurück zu unserem Ausgangspunkt.
Besonders idyllisch ist der Rundweg auch bei einsetzender Dämmerung. Dann sieht man über der Stadt vom Bergfried aus die Sonne untergehen und das Theater erstrahlt zur blauen Stunde besonders schön.
Übernachten in Gera Untermhaus
Eine besonders schöne Übernachtungsmöglichkeit gibt es in Gera-Untermhaus nur wenige 100 Meter von unserem Endpunkt entfernt: das Hotel und Restaurant Zwergschlösschen*.
Es ist ein privat geführtes Hotel mit liebevoll eingerichteten Zimmern. Thematisch beziehen sie sich auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie Theater, Osterstein, Tierpark und viele weitere. An das Hotel angeschlossen ist ein Restaurant das mit lokalen Gerichten punktet.
Was man sonst noch alles in Gera entdecken kann
- Haus Schulenburg am westlichen Rand von Gera wurde von Henry van de Velde erbaut, der mit seinem funktionalen Stil ein Brücke zwischen Jugendstil und Bauhaus geschlagen hat
- Wie viele andere Textilstädte hat es Gera zu großem Reichtum gebracht. Dies ist auch heute noch in den zahlreichen Villen in der Stadt sichtbar. Bei einem Villenrundgang kann man die Schönheiten entdecken.
- Außerdem ist besonders bemerkenswert: Gera Punktet zudem mit den meisten Häusern im Stil des Neuen Bauens und des Bauhauses in Thüringen
- Der Dahliengarten ist besonders im Herbst einen Besuch wert, wenn die Dahlien voller Pracht erstrahlen.
- Sie haben Lust auf einen Museumsbesuch? Neben dem Otto-Dix-Museum gibt es das Stadtmuseum, die Kunstsammlung in der Orangerie, das Museum für Naturkunde oder das Museum für angewandte Kunst.
- Und wenn Sie zur Weihnachtszeit Nach Gera kommen: die Stadt hat mit dem Märchenmarkt einen der schönsten Weihnachtsmärkte im Vogtland.