Im heutigen Blogpost unternehmen wir einen Ausflug nach Bayern: Wir besuchen Selb, die Stadt, die durch die Produktion von Porzellan berühmt wurde und in der selbst Straßen mit Porzellan gepflastert sind.
Inhaltsverzeichnis
Zu Besuch im bayerischen Vogtland
Die Porzellanstadt Selb liegt im nordöstlichsten Zipfel Bayerns circa 30 km von Hof entfernt und ganz in der Nähe vom tschechischen Städtchen Asch. Die erste urkundliche Erwähnung der Stadt zeigt gleichzeitig die Verbindung zum Vogtland auf. Zusammen mit Asch wurde Selb 1281 von Kaiser Friedrich II. an den Vogt Heinrich von Plauen verpfändet. Ihr Einfluss reichte bis ins Jahr 1357.
Die Besitzer wechselten danach noch mehrfach und mit ihr auch die Bedeutung der Stadt. So wurde von Selb aus der Reichsforst Eger verwaltet, hier war lange Zeit das bevorzugte Jagdrevier der Bayreuther Fürsten. Selb hatte bis ins 18. Jahrhundert hinein auch eine große Bedeutung als Bergbaustandort mit zahlreichen Hammerwerken. 1856 zerstörte ein Großbrand, der durch die Unachtsamkeit einer Magd ausgelöst wurde, fast die gesamte Stadt.
Selb – die Stadt des Porzellan
In die Zeit des Neuaufbaus fällt ein weiteres bedeutsames Ereignis: 1857 begann die Porzellangeschichte der Stadt – Lorenz Hutschenreuther eröffnete die erste Porzellanfabrik auf der Ludwigmühle. Durch die industrielle Serienfertigung machte er das Porzellan auch für Normalbürger erschwinglich. Mit dem Anschluss an die Bahnstrecke Hof-Eger im Jahr 1864 ging es dann rasant voran. Mehr als 20 Porzellanfabriken, darunter auch Rosenthal, siedelten sich in Selb an.
Philipp Rosenthal – die Kunst und das Bauhaus
Rosenthal prägte das Bild der Stadt auf ganz besondere Weise. Philipp Rosenthal wollte keine Standardfabrik, „kein mechanisches Ungeheuer, das Geist und Seele tötet“, er wollte ein Werk, das die Landschaft verschönert und nicht verschandelt.
Und er wollte ein Werk, dass zum feinen und klaren Porzellan passt und vor allem zur Studio Linie von Rosenthal, die die Formen der Moderne aufgriff. Denn diese Serie sollte hauptsächlich im neuen Werk am Rothbühl produziert werden. Einen geeigneten Architekten fand er in Walter Gropius, der Gründer des Bauhaus.
Er plante 1967 für Rosenthal die Fabrik am Rothbühl, inklusive Feierabendhaus und Flamingogarten für die Belegschaft sowie entwarf auch selbst Teegeschirr. Selb gehört mit diesem Fabrikbau zu einem der wenigen Orte in Bayern, in den die Bauhaus-Architektur Einzug fand, wenn auch etliche Jahre nach ihrer Hochphase.
Nur wenige 100 Meter weiter bemalte Otto Piene 1973 die Fassade der Firmenzentrale von Rosenthal in Regenbogenfarben. Es war damals die größte künstlerisch gestaltete Fassade der Bundesrepublik.
Friedensreich Hundertwasser (1983) und Marcello Morandini (1987) verwandelten ebenso schnöde Bürohäuser in Kunst.
Die neueste Verbindung zwischen Kunst und Bau ist 2017 entstanden. Das italienische Street-Art Duo Orticanoodles bemalte den 20 m hohen Schornstein mit einem Mix aus Rosen, die durch Lorbeerblätter, Azaleen und Vergissmeinnicht ergänzt werden. Dies soll an frühere Designs von Rosenthal erinnern. Leider können wir nicht genau sagen, ob man sich den Turm auch von nahem betrachten kann. Wir waren an einem Sonntag auf unserer Entdeckungstour und haben einen Blick von der Außenseite erhascht (Wittelsbacherstr. / Wilhelmstraße).
Ein Blick in die Stadt
Auch wenn heute weniger Firmen in Selb produzieren, ist das Porzellan in der Stadt noch lebendig.
Am prägnantesten sind sicherlich die beiden großen Porzellankannen, an denen man auf dem Weg in die Stadt vorbeifährt. Die längliche Kanne, die stadtauswärts Richtung A93 steht, ist die größte Kaffeekanne der Welt. Sie hat ein Fassungsvermögen von 60.000 Tassen und wurde nach einem historischen Vorbild aus den 30er Jahren gefertigt.
Einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Porzellanherstellung erhalten Sie im Porzellanikon – einem großen Museumskomplex in der ehemaligen Porzellanfabrik Selb-Plößberg. Hier wird anschaulich das Leben und Arbeiten der Porzelliner dargestellt.
Sie erfahren Wissenswertes über die zahlreichen Schritte der Porzellanherstellung und an einigen Stationen können Sie bei Vorführungen ganz nah dabei sein. Ein besonderes Highlight ist die riesige Dampfmaschine, die noch funktionstüchtig ist.
Selb ist eine recht unscheinbare Stadt, geprägt durch die Architektur der 60er Jahre, aber trotzdem lohnt sich ein Spaziergang durch die Stadt. An zahlreichen Ecken wird an die Porzellangeschichte angeknüpft.
Am eindrucksvollsten geschieht das im Porzellangässchen. Es ist ein wirklich einmaliges Wahrzeichen der Stadt. In der Gasse wurden 55.000 farbige Porzellanteile verarbeitet.
Nur wenige Meter entfernt steht am Martin-Luther-Platz ein Porzellanbrunnen der Porzellanmanufaktur Barbara Flügel. Er wurde 2003 aus weißem Porzellan gestaltet, umrundet mit kleinen Porzellanblättchen in Türkis, Grün und Gold.
Er ist ein wahrer Hingucker. Ein weiterer Porzellanbrunnen steht vor der Sparkasse. Er wurde von den Künstlern Hans Achtziger und Erich Höfer geschaffen.
Und natürlich wurde auch die Stadtgeschichte von Selb auf Porzellan verewigt. Sie finden sie an der Porzellanwand am Welzel-Haus. 1988 wurde die Wand mit den bedeutendsten Stationen in der Geschichte der Stadt von Hutschenreuther gestiftet.
Generell ist das Thema Porzellan sehr präsent: Straßenschilder, Blumenkästen, ein Stadtplan, eine Wanderkarte, Brunnen, eine Parkbank – all das wurde aus Porzellan geschaffen.
Wer auf der Suche nach Porzellan ist, wird im großen Werksverkauf von Rosenthal fündig oder auch auf dem Porzellanflohmarkt, einem ganz besonderen Highlight für die Freunde des weißen Goldes. Er findet jedes Jahr am ersten Wochenende im August zum Fest der Porzelliner statt. Es ist der größte Porzellanflohmarkt Europas und zieht Sammler und Liebhaber von weither an.
Auch wenn Selb ein wenig im Dornröschenschlaf liegt, ist die Stadt eine Reise wert. Begeben Sie sich hier auf die Spuren des weißen Goldes.